Die „Freiheit statt Angst-Demo in der Hauptstadt – am Samstag den 12. September 2009 fand sie statt, ich war live vor Ort und dies ist mein Resumée dieses atemberaubenden Tages:
Samstagmorgen, 06:00 Uhr in der Früh und ich überhöre beinahe meinen Wecker, was allerdings nach nicht einmal vier Stunden Schlaf zuvor nicht weiter verwunderlich ist. Doch heute ist ein großer Tag, heute besuche ich meine erste große Demonstration, die dann auch noch gleich in Berlin! Also raus aus den Federn, unter die Dusche, essen, trinken, Tasche packen und schon sitze ich gegen halb neun im Auto und zu viert geht die Reise los.
Ah, Sekunde, wieso ist da eine rote Laufschrift im Rückspiegel?
Verdammt! Gerade erst waren wir von zuhause losgefahren, schon ist die Polizei hinter uns und winkt uns freundlichst an den Straßenrand; vermutlich nicht zuletzt wegen der Flagge der Piratenpartei in der Kofferraumklappe – potenzielle Kinderschänder und Terroristen natürlich, die müssen erst einmal aus dem Verkehr gezogen werden.
20 € Verwarnungsgeld sollte es für unseren Fahrer geben, zum einen, weil er mit Nebelscheinwerfer bei gutem Wetter gefahren ist („Ähm ja also, die musste ich heute Morgen anmachen, als ich aus der Garage und ähm nichts gesehen und… ja.“), zum anderen, weil er keinen Fahrzeugschein dabei hatte („Ja also der Wagen war in der Werkstatt und dann hat meine Mutter und… ja.“). Gut nur, dass dieser Mann niemals ein Blatt vor den Mund nimmt, denn so wurden aus den 20€ nur 10: „Haben Sie auch einen Schüler-Rabatt?“ 😉
Unsere Fahrt ging also weiter, und irgendwann gegen Mittag und nach diversen ungeplanten Pausen („Ich muss mal!“ – „Ich will rauchen!“ – „Ich hab Hunger!“) erreichten wir Berlin City, auch genannt… Köln! Jedenfalls kam unser Fahrer (Düsseldorfer Kennzeichen, muss man bedenken) auf die glorreiche Idee, er müsse Passanten auf der Straße fragen, ob das hier wirklich Köln sei.
Wir passierten den von unserem netten Bundeskanzler Herrn Merkel (hust) pompös gestalteten Triumphbogen der CDU (zu sehen hier: http://www.n-tv.de/img/48/489645/O_680_680_680_DEU-BB-Wahl-CDU-BER102.jpg2458584346663392721.jpg) und nach ein paar weiteren Minuten Panik im Kreisverkehr des großen Sterns kamen wir dann auch an unserer Unterkunft an: der Tentstation, ein Campingplatz, sehr links anmutend, auf dem Gelände des ehemaligen Freibads in Moabit und damit praktisch mitten in der Stadt. Warten, warten… Ah, da ist die Frau von der Rezeption! Wir checkten ein, sogar mit Demo-Rabatt (!) und bezogen unser gemähliches zwei Zimmer-Appartement im Herzen des Grünen – es war ein uralter Wohnwagen, liebevoll „Knausi“ genannt und der konnte tatsächlich nicht mehr als uns Vieren einen Schlafplatz zu bieten. Mehr erwarteten wir aber auch nicht 🙂
Wir packten unsere Rucksäcke mit Jacken, Zigaretten und Getränken, hängten unsere Piratenflaggen superheroisch um die Schultern und ab ging es in Richtung Innenstadt, genauer gesagt zujm Potsdamer Platz.
Haaaalt! Wohin sollte es gehen? „Links, da ist der Hauptbahnhof, dann müssen wir daran vorbei und dann über die Spree.“ – „Ja jetzt müssen wir wohl rechts.“ – „Nee, guck mal diese Straße ist bestimmt die Straße XY, dann ist die da vorn die Straße des 17. Juli“ – „Juni heißt es, und nein, ich wette, wir müssen da hin und guck mal, da ist ja schon der Bundestag!“
(…)
Irgendwann kam ich dann auf die Idee, dass der Potsdamer Platz da ist, wo die Hochhäuser stehen und schwuppdiwupp waren wir da; allerdings nicht, ohne vorher noch eine Pommes zu essen (3x mit Mayo, 1x mit Ketchup).
Als wir am Potsdamer Platz und dem Ort des Demobeginns ankamen, machte sich der Pulk gerade auf den Weg; wir waren etwas spät dran, aber so schlimm war es nun nicht…
Ich war überwältigt…
An mit zogen die Menschen vorbei: Linke, Grüne (Frau Claudia Roth persönlich in der ersten Reihe lächelte mich ganz lieb an), Antifa, CCC, Datenkraken aus Pappmaché, Kommunismus-Sympathisanten und nicht zu vergessen die Jusos, die mit einigen anderen Karnevalsvereinen das Schlusslicht bildeten.
Und mittendrin… Der Love-Parade-Partytruck der Piraten, in schlichtem schwarz/orange gehalten, mit der lautesten Technomusik, den am besten gelaunten Mitfahrern und einer riesigen Vor- sowie Nachhut, alle orange, mit Fahnen, T-Shirts, Plakaten, mit Netbooks und Pappmaché-Videokamera-Kopfbedeckungen!
Und so zogen wir mit ebendiesem Truck mit.
Auf dem Weg wurden uns stapelweise Flyer der Partei in die Hand gedrückt, die ich natürlich auch gewissenhaft verteilte, man verarschte andere Piratenanhänger mit angeblichem Telefonieren – „Ja, Wolfgang (Schäuble natürlich ;)), ich habe hier einen, der passt genau in das Terroristenschema!“ – vor der nicht einmal versteckten Kamera und um ein Zeichen zu setzen – wir befinden uns ja immerhin auf einer Datenschutz-Veranstaltung zur Sicherung der Privatsphäre! – küsste ich meinen Freund mit über die Köpfe gezogener Flagge 🙂
Irgendwann setzten wir uns von der Parade ab, um auch noch zu sehen, wer nach dem Piraten-Pulk mit dem Zug mitzog. Ziemlich weit am Ende entdeckten wir dann noch das kleine schnuckelige „Gläserne Mobil“ der PP, in dem ein Wohnzimmer nachgebaut wurde, in dem ein paar Kerle auf ihre Privatsphäre verzichteten (wieso haben die eigentlich kein Schlafzimmer daraus gemacht? Oder wäre das, was darin passiert wäre, schon Erregung öffentlichen Ärgernisses gewesen?).
An und für sich erlebten wir die Demo als sehr ruhig und gesittet, wenngleich natürlich Gerüchte über Auseinandersetzungen/Verhaftungen die Runde machen und einiges anscheinend stimmt, wie eben der Fall mit dem von der Polizei verprügelten Radfahrer, der mit der Demo als solcher nicht einmal firekt etwas zu tun hatte.
Gut nur, dass es Kameras und das Internet gibt, denn durch diese Medienpräsenz wurden die beiden verantwortlichen Polizeibeamten anscheinend schon gestern vom Dienst suspendiert.
[Edit: Anscheinend stimmt das doch nicht so, sagen die Nachrichten: http://www.rbb-online.de/nachrichten/politik/2009_09/polizeiuebergriff.html ]
Ein Hoch auf die Überwachung durch den Bürger! 😉
Womit sich die Piraten allerdings unbeliebt gemacht haben könnten, ist die Sache mit der Gema:
Anscheinend zahlten sie zusammen mit anderen auf der Demo geschützte Musik verbreitenden Gruppen eine gehörige Summe an die Gema; ein Großteil der Piraten-Sympathisanten wird wohl sicherlich auch aus Petenten und Petentinnen der Petition gegen die Gema bestanden haben. Schade, wenn solche Widersprüche in den eigenen Reihen geschehen, da ich vor allem selbst auch diese Petition unterschrieben hatte.
Hier ein paar Auswahlbilder: