Wenn Du jemals vorhast, ein Video-Tagebuch zu führen, dann drück die Kamera niemals einer blonden Polin in die Hand – die findet den Knopf nicht!
Eigentlich hatte ich die Erlebnisse von Dienstag und Mittwoch in einem Video zusammengefasst, was leider nicht auf der Kamera zu finden ist, da meine gute Kamerafrau anscheinend nicht den Knopf zum Aufnehmen gedrückt hat und ich meinerseits vergessen habe zu überprüfen, ob das Video sachgerecht auf der Kamera zu finden ist.
Nun denn, also bleibt mir nichts anderes übrig, als die ganze Geschichte im Schnelldurchlauf wiederzugeben.
Dienstag war ich nach unserer gemeinsamen Stadtrundfahrt in der National Gallery, am Piccadilly Circus und in diversen Souveniershops mit identischem Kitsch, im Hard Rock Café und essen in Chinatown.
Meine bevorzugten Tube-Linien waren die Jubilee und Piccadilly Line, weshalb ich gezwungen war, gefühlte 100 Male an der Station Green Park umzusteigen.
Wir suchten uns in Chinatown das billigste chinesische Restaurant; das Essen war lecker, fettig und man konnte sich eine Portion prima zu zweit teilen, weswegen jeder für die gebratenen Nudeln mit Fleisch nur £2,50 zahlen musste.
In der Nacht schlief ich beim Fernsehen (Kanal: E4, „Friends“) ein.
Mittwoch machten unsere zwei Kurse zusammen schon am Vormittag eine erneute Sightseeing Tour, die man sich auch hätte sparen können, weil wir nicht mehr gesehen haben, als am Tag zuvor im Bus. Der Vorteil daran war jedoch, dass ich Fotos machen konnte, die mehr als die Sockel der Monumente und die Eingänge der Kathedralen zeigten, da mir kein Busfenster im Weg war.
Später besuchte ich Covent Garden, hätte fast geweint, weil ich von der Schönheit und Vielfalt der ganzen Geschäfte und Kitsch-Lädchen dort überwältigt war, fuhr danach zur Victoria Station, weil Kati zwingend dort eine Falafel kaufen musste, besuchte noch einmal das Hard Rock Café, um dort ein Foto mit dem Axt-Bass von Gene Simmons machen zu können, setzte meine Reise nach Camden Town fort und stellte fest, dass alle Geschäfte gerade schlossen.
Nebenher goss es in Strömen.
Erst am Donnerstag konnte ich also nach über vier Jahren erneut feststellen, was Camden doch für ein wundervolles Fleckchen Erde ist.
Es ist nicht schön dort! Es ist hässlich, voll, voll von Menschen, vorwiegend Türken/Arabern und Chinesen, voll von billigen Souveniershops mit dem selben Interieur. Aber es ist auch voll von großen Märkten mit interessanter Kleidung, voll von hübschen Männern mit Dreads und niedlichen Mädchen mit zu kurzen Röcken und zu hohen Schuhen.
Dort schlägt das Herz der Stadt, der Jugend, am Puls der Zeit und fernab jedweder Konvention. Es ist so also nicht weiter verwunderlich, dass ich geneigt war, mir ein „I ❤ Camden“ Shirt zu kaufen. Ich kaufte mir stattdessen aber lieber eine „Vespa“ Tasche.
A. und ich kauften uns alsbald Fish and Chips ohne Fish, weil dieser definitiv zu teuer war. Wir setzten uns auf eine Treppe und kamen kaum zum Essen, weil plötzlich drei Jugendliche vor uns standen und uns anbettelten, dass sie uns gratis die Haare waschen und föhnen dürften. Wir stimmten nach einigem Überreden trotz unseres Zeitmangels zu und dies war das erste Mal in meinem Leben, dass ich einen Frisörsalon nicht nur betrat, um jemanden zu begleiten, sondern selbst auf den Stuhl kam.
Natürlich wurden uns die Haare von den Jungs und Mädels, die um einen Ausbildungsplatz kämpften nicht geschnitten, dazu waren wir zum Glück (!) einen Tag zu früh dran.
Sehr verblüffend war die Tatsache, dass ich in eben diesem Salon mitten in Camden einen Schüler meiner alten Schule in Dortmund traf. Wie klein doch die Welt ist…
Nach gefühlten fünf Stunden wafren wir dann fertig frisiert und ich kann nur sagen: meine Haare waren niemals zuvor so glatt und seidig weich! =)
Anstatt wie geplant in den London Dungeon zu gehen, machten wir uns auf den Weg in unser Hotel und kauften noch etwas für die Rückfahrt nach Deutschland bei Texco ein. Natürlich habe ich promt vergessen, die Margarine mit dem wohlklingenden Namen „I can’t believe it’s not butter!“ zu kaufen.
Um 19:00 Uhr trafen sich alle gemeinsam wieder am Globe Theater, wo wir schon am Morgen eine Führung hindurch gemacht hatten, da wir in einen Pub an der Themse gehen wollten, denn der gute Herr S. jedoch zuerst nicht wiederfand.
Nach einigen Kilometern Fußmarsch kannten wir später jeden Gullideckel im gesamten Gebiet zwischen der London Bridge und der Tower Bridge und fanden den Pub, wo ich mir erst einmal ein leckeres Strongbow gönnte und einen herrlichen Blick auf letztere Brücke genoss. Und dann sahen wir etwas, was man so selten sieht: Die Brücke wurde hochgezogen, weil ein zu großes Schiff passierte! =)
Es war ein sehr bewegender Augenblick, da sicherlich auch nicht viele Touristen selbiges erleben können.
Nach unserem kurzen Pub-Besuch fuhren wir wieder zum Piccadilly und suchten bis ins tiefste Soho hinein die zwei Karaokebars, die ich herausgesucht hatte, um den Abend lustig abklingen zu lassen. Leider war diese Suche vergeblich – stattdessen entdeckten wir eine (Schwulen-?) Bar, in der ein unattraktiver Kerl mit hässlichen Unterbuchsen an einer Stange tanzte, alsbald die Hände einer Frau nahm und sie sich an seinem Oberkörper bis beinahe in den Schritt entlangführte, woraufhin der Türsteher auf ihn zutrat und ihm den Zeigefinger zeigte.
Da wir keine Karaokebar fanden, fuhren wir zum Hotel zurück, aßen Süßigkeiten und tranken Bier in der Lobby und warteten darauf, dass es 00:00 Uhr wurde, um K.s Geburtstag zu feiern – eigentlich aufgrund der Zeitverschiebung eine Stunde zu früh, aber Mitternacht ist Mitternacht 😉
Auch an diesem Abend fiel ich wieder totmüde ins Bett, während L. ihren Koffer packte.
Und Freitag kam der Tag der Abreise, ausgeschmückt mit ein bisschen Traurigkeit, Vorfreude auf Zuhause, einem Unfall und einer zu langen Wartezeit.
Erst einmal wurden L. und ich in unserem Zimmer vergessen, während wir auf die Zimmerkontrolle warteten. Nach einer halben Stunde wunderten wir uns, wieso noch niemand in unser Zimmer gekommen war; L. ging in die Lobby, um nachzusehen, was los war und musste feststellen, dass sowohl alles Gepäck als auch alle unsere Mitschüler schon im Bus waren. Wir wären also beinahe in London vergessen worden.
Als wir dann auch im Bus saßen, machten wir uns auf den Weg nach Dover und kamen dort auch so früh an, als dass wir eine Fähre früher als geplant hätten nehmen können und somit auch früher zuhause gewesen wären. Der Bus fuhr in Richtung Terminal und der Fahrer wollte sich gerade in die richtige Spur einordnen, als ein LKW viel zu schnell neben uns auf der Spur auftauchte, mitten in einer Kurve, die wir ihm also beinahe geschnitten hätten, wenn der Busfahrer nicht im letzten Moment gebremst hätte und auch der LKW nicht noch kurz vor knapp zum stehen gekommen wäre. Puh, dachten wir, das war ja noch einmal knapp! Und kaum war dieser Gedanke zuende gedacht – unser Fahrer versuchte gerade, den Bus stärker einzulenken – als der LKW plötzlich Gas gab und ich nur hörte, wie es knallte, der Bus stark nach rechts schwankte, mein Kopf gegen die Scheibe stieß und einige Insassen aufschrien.
Der LKW hatte dem Bus mit dem hinteren Anhänger den Außenspiegel und die Seitenverkleidung der Fahrerseite abgerissen und das Seitenfenster zertrümmert, sowie die Frontscheibe zum Springen gebracht; unser armer Busfahrer saß in einem Haufen aus Scherben.
Wir hatten jedoch Glück im Unglück, denn niemand war verletzt.
Die Polizei tauchte sofort auf und drei meiner Mitschülerinnen mussten als Dolmetscher herhalten, da der Fahrer des LKWs nur polnisch sprach (er arbeitete seit zwei Monaten in seinem Unternehmen und es war sein zweiter Unfall in dieser Zeit).
Zu unserem Ärger hieß es dann jedoch, dass sich unser Bus keinen Milimeter mehr fortbewegen dürfe, der LKW aber unbeschadet weiterfahren konnte. Nach einer Stunde des hin und hers wurde uns jedoch ein Shuttlebus bis zur Fähre zur Verfügung gestellt, sodass wir unser Gepäck im strömenden Regen in den Mini-Linienbus trugen und mit selbigem zum Terminal fahren konnten.
Auf der Fähre kam alsbald wieder Heiterkeit auf, obwohl wir wussten, dass wir einige Stunden warten müssten, bis unser neuer Bus aus Deutschland in Calais ankommen würde. Wir saßen auf bequemen Sesseln und Sofas und als jemand an der Jukebox „Wonderwall“ von Oasis auflegte, sangen wir alle laut mit – der Schrecken war für einige Minuten vergessen.
In Calais angekommen regnete es noch immer in Strömen. Es war mittlerweile 16:30 Uhr und wir hofften, dass unser Bus gegen 19:00 Uhr ankommen würde.
Im Terminal setzten wir uns ins Restaurant und verbrachten die nächsten 5 Stunden mit lesen, Billard, langweilen und quatschen, da der Bus wegen des Ferienstaus erst um 21:30 Uhr ankam – um diese Zeit wären wir planmäßig zuhause gewesen.
Wieder einmal hieß es also, Gepäck in den „Kofferraum“ packen, wobei dieser wesentlich kleiner war als der in unserem kaputten Bus, und so mussten drei unserer Koffer in den Bus mitgenommen werden. Mein nächster Schrecken (nach dem, dass ich besser meine Knie abgeschnitten hätte, weil meine Beine kaum hinter den Sitz meines Vordermanns passten) war, dass es in diesem Bus keine Sicherheitsgurte gab; und diesen Schrecken teilten sogar die jenigen, die sich vor dem Unfall nicht angeschnallt hatten.
Die Heimfahrt setzte sich also unangeschnallt und mehr oder minder schlafend fort, wobei wir bei jeder stärkeren Bremsung erschraken und uns durchaus unwohl war.
Kurz vor der Ankunft hielt Herr S. noch eine kleine aber herzerweichende Rede, in der er uns dafür lobte, dass wir trotz der Komplikationen unseren Spaß hatten und dass wir die lange Wartezeit meckerlos ertrugen.
Wir applaudierten und pfiffen im Übrigen laut für unseren Busfahrer, der sichtlich angeschlagen war durch diesen Stress und uns dennoch sicher nach hause brachte.
Gegen 03:30 Uhr endete unsere Fahrt und somit auch diese Geschichte über die tollste Woche meines bisherigen Lebens =)